Geschichten

Geschichten, die das Leben schrieb

Was ist überhaupt ein Dorf - was war ein Dorf früher?

In der Phase zwischen 1850 und 1900 begegneten wir auch noch in unserem Dorf, Dinge die nach unseren heutigen Vorbildern dem „richtigen“ Dorf entsprachen. Viele große und kleine Bauernhöfe, eine enge Verbindung zwischen Dorfleben und Landwirtschaft, eine Infrastruktur mit Schule, Post, vielen kleinen einfachen Läden, kleinen Handwerksbetrieben und eigener Gemeindeverwaltung.

Es ging in den Jahren nicht nur den großen, sondern auch den kleineren und mittleren Bauernhöfen gut. Dafür hatten die Befreiung aus der grundherrlichen Abhängigkeit, die ersten Flurbereinigungen und Verkoppelungen gesorgt. Die Bauern waren nun alle Eigentümer ihres Hofes und Landes. Sie konnten jetzt über den Anbau der Feldfrüchte auf ihrem Acker frei bestimmen. Einen sehr großen Erfolg brachte für die Bauern Mitte der 1830er bis Anfang 1870er Jahre zum Beispiel der Anbau der Zuckerrübe. Dann nahm mit der Industrialisierung in den Städten die Zahl der Konsumenten deutlich zu, sodass sich dank der Eisenbahn die Nahrungsmittel günstig in die nahe gelegenen Städte transportieren ließen. In Oldendorf wurde am 19. Mai 1875 der Bahnbetrieb für den Güterverkehr eröffnet und wenig später, am 30. Juni 1875 gab es dann auch die Personenbeförderung. Durch interne Auseinandersetzungen wurde der Bahnhof nicht nach dem Standort Oldendorf, sondern wie er heute noch immer heißt, 'Osterwald' genannt.

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Arbeitskräfte gab es genug im Dorf. Von der einsetzenden Industrialisierung profitierte nicht nur die Landwirtschaft sondern es entstanden Industriebetriebe. In Oldendorf wurde 1898 der Bauantrag für eine Molkerei in der heutigen Hagenstraße gestellt. 1875 wurde die am Osterwalder Bahnhof liegende Zuckerrübenfabrik eröffnet und schon seit 1874 wurde ebenfalls am Osterwalder Bahnhof (späteres Bockgelände) ein Kalkwerk betrieben. Die Bautätigkeit nahm zu, sowie auch der Bedarf an Handwerkern. Das hatte zur Folge, dass das örtliche Handwerk zum zweiten wichtigem Element im dörflichen Leben wurde. Neue Schulen wurden gebaut, neue Gebäude entstanden. Die 1869 eingeführte Gewerbefreiheit gab Voraussetzungen dafür, dass eine größere Anzahl an Gaststätten und Läden entstanden, so unter anderem auch Handwerksbetriebe die Ackergeräte reparierten. In Oldendorf gab es die Schmiede Schmull in der Dorfstraße.

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Der größte Teil des Alltags fand im Dorf statt, da nahezu jeder Dorfbewohner in irgendeiner Weise, wenn auch im 'kleinen Maße' Landwirtschaft betrieb. Da die Löhne gering waren, war es notwendig, dass die 'kleinen Leute' die benötigten Lebensmittel weitgehend selbst anbauten. Wenn das Dorf in dieser Zeit den Eindruck der kleinen abgeschlossenen Welt vermittelte, so lag es auch daran, dass es kaum Zuwanderer gab, aber es war doch mit der Industriegesellschaft dank der Eisenbahn, für den Güterverkehr und die Personenbeförderung, mit der Stadt verbunden.

Das Dorf der Jahrhundertwende enthielt viele Elemente, die man erst bei genauerem Hinsehen alle erfassen kann, vieles vermissen wir in den heutigen Dörfern. Das änderte sich dann nochmals gravierend nach dem 2. Weltkrieg. Unter den gegebenen schwierigen Umständen und großer Not versuchten sich alle den Verhältnissen anzupassen. Die Evakuierten wollten zurück in die Städte ziehen, während die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge bald erkannten, dass eine Heimkehr in ihre Heimat nicht möglich war. Sie mussten also andere Wege gehen. Als Mieter auf den Bauernhöfen und anderen Häusern auf engstem Raum, was man für Oldendorf aus einem alten Adressbuch von 1950 nachvollziehen kann, war eine Zukunft nicht denkbar. Damals war es davon abhängig ob der Gemeinderat bereit war neues Bauland auszuweisen, um den Vertriebenen und Flüchtlingen als Siedler im Dorf eine neue Zukunft zu sichern. In Oldendorf wurde 1959 mit dem Bau an der Aue begonnen. Sechs sogenannte Siedler bauten hier nach und nach neue Häuser. Drei Häuser wurden hier schon in der Zeit zwischen 1947 und 1950 gebaut..

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Dann wurden dort noch 5 Doppelhäuser für Kinderreiche errichtet. Die neue Siedlung bekam von den Oldendorfern den Namen 'Storchensiedlung'. Die Flüchtlinge und Vertriebenen trugen dazu bei, dass sich nicht nur das äußere Erscheinungsbild, sondern auch das tägliche Miteinander in Oldendorf veränderte. Es hat sich immer wieder viel in Oldendorf getan. In früheren Jahrhunderten und auch nach dem Zweiten Weltkrieg. Nur wenige leben noch die davon berichten können. Ein Teil weiß es nur aus den Erzählungen der Großeltern oder Eltern und es geht immer mehr für immer verloren.

Wer von unseren Kindern weiß denn noch wie es zum Beispiel in Oldendorf auf dem Hagenbrink vor 70 - 100 Jahren aussah? Wie die Leute dort damals lebten?

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Der Hagenbrink war früher eine der 'Hauptgeschäftsstraßen' Oldendorfs. In fast jedem Haus gab es ein Gewerbe: Lebensmittel- und Bäckereigeschäft, Schuhgeschäft mit Schuhreparatur, Textilgeschäft, Schneider und Schneiderin, Sattler, Stellmacherei, Ferkelhändler, Fotograf, ein weiteres Lebensmittelgeschäft, Maler, Tischlerei und eine alte Wasser-Mühle gab es dort.

Einige Geschäfte änderten sich in den Jahrzehnten, andere blieben ganz konstant über die Jahrzehnte erhalten. Heute gibt es ' Auf dem Hagenbrink' nur noch die alte Wassermühle, aber Getreide wird dort nicht mehr gemahlen.

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Nach dem Krieg gab es eine Menge größerer oder kleinerer Geschäfte und Gewerke im ganzen Dorf verteilt, die das Dorfleben und ihre Familien prägten.

Es gibt so viel zu erzählen und zu erfahren über unser Dorf wie es einmal war. Ich glaube es ist einfach lohnenswert dieses alles in Wort, Schrift und Bildern zu erhalten. Wir haben inzwischen kaum noch Zeitzeugen, aber eine Menge moderner Technik die wir nutzen können um das Alte zu bewahren, damit diese alten Begebenheiten und Erinnerungen für unsere Kinder und Enkel erhalten bleiben. Nicht nur das Alte, sondern auch Neueres ist es wert festgehalten zu werden um es für später zu dokumentieren und das Miteinander im Dorf zu pflegen. Zusammenkommen, Klönen, dass sich Jung und Alt untereinander Austauschen oder geselliges Beisammensein, es ist so selten geworden. Was spricht eigentlich dagegen es wieder mehr in unserem Dorf zu erleben?

- Finden wir einen Weg für die Zukunft. Erneuern wir die Dorfgemeinschaft zum Wohl aller Einwohner -

Text CHP - Wir bedanken uns für die zur Verfügung gestellten Fotos bei Michael Evers, Konrad Grimpe, Ursel Williams geb. Blume, Marlies Fiolka

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