H.-H. Scholling erzählt Teil II

H-H Scholling - Erinnerungen aus Kindheit und Jugend in Oldendorf

In den Jahren der Grundschulzeit hatte sich zu meinen Schulkameraden Fredi Battmer, Wolfgang Eichholz und Hans-Jürgen Schlüter eine enge Freundschaft entwickelt. Wir haben besonders nach der Schule viel Zeit miteinander verbracht. Im Sommer und bei schönem Wetter waren wir meistens an der Saale zu finden.


Ein beliebter Spielort war für uns aber auch Battmer‘s Hof mit dem Überbau vor den Stallgebäuden und das alte Haus im Hof (im Bild links; heute alles abgerissen / neu Im Brinkfeld 1). Gespielt wurde u. a. mit selbst gebastelten Schwertern, natürlich aus Holz aus Schlüters Tischlerei oder Degen, gebastelt aus stärkeren Weidenstöcken mit Handschutz aus dem Blech von aufgeschnittenen Konservendosen.

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Dämme gebaut und sonstigen „Unfug“ getrieben haben wir auch an der Beeke, (hieß sie nicht Hagenbeeke) die am Ortsausgang nach Ahrenfeld Richtung Saale floss.

Wir haben auch jedes Jahr unsere Geburtstage gefeiert. Wer sonst noch zu den jeweiligen Tagen eingeladen war, ist mir leider entfallen. Wir waren aber meist zwischen sechs und acht Kinder. Dabei haben wir uns mit damals üblichen Kinderspielen wie z. B. Topfschlagen, Plumpsack, Versteck spielen oder das Pfandspiel. Hierbei musste jeder ein Pfand geben, einem wurden die Augen verbunden und das Spiel begann mit dem Spruch „Tuck, tuck, was soll der machen dem dies Pfand gehört?. Der Betreffende musste dann etwas anmalen, ein Gedicht aufsagen, mit der Stirn an einem Türblatt runterrubbeln oder irgendeinen anderen Blödsinn machen.

An Regentagen habe ich meine Freizeit auch oft in der Werkstatt von Schuster Lange in Klein-Oldendorf (heute Ahrenfelder Str. 6) verbracht. Meine Mutter war mit Familie Lange befreundet. Dort habe ich Robert Lange dabei geholfen, dass die Oldendorfer wieder ordentliches Schuhwerk an den Füssen hatten.

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Foto 1952 zur Einweihung der neuen Schule (vordere Reihe von links der Vierte, das bin ich).

 Im April 1953 wechselte ich gemeinsam mit Fredi Battmer, Heidemarie Korsch, (Vater war Betriebsleiter im ehemaligen Kalkwerk am Bahnhof), Frank Lottermoser (Vater war Zahnarzt), Wolfgang Meyer (wohnte bei Ernst, Käserei, heute Dorfstr. 1), Albrecht Nitsch, Hans-Jürgen Schlüter, Ute Sperling und Joachim Thomas (Ahrenfeld) zur Mittelschule in Coppenbrügge. Die Schule war damals neu gegründet und war eine Schule mit differenziertem Mittelbau (Vorgänger der heutigen Gesamtschule).
Mindestens das erste Jahr musste noch Schulgeld an die Gemeinde Coppenbrügge bezahlt werden. Ich habe einen Betrag von DM 28,-- in Erinnerung, weiß jedoch nicht mehr ob monatlich oder jährlich.
Die ersten zwei Jahre sind wir morgens mit dem Bus ab Haltestelle B1 nach Coppenbrügge gefahren. Dies war oft beschwerlich, da der Bus spätestens ab Hemmendorf total überfüllt war. Wir fuhren auf einer sogenannten „Kombinierten Monatskarte“ auf der am unteren Rand die jeweiligen Tagesdaten gedruckt waren und von einem Schaffner, der sich auch noch durch das Gedränge im Bus zwängen musste, mittels Lochzange entwertet wurden. Im Gegensatz zur damaligen reinen Bahnfahrkarte konnte sie daher nur zur Schule hin u. wieder zurück benutzt werden. Zwischendurch fahren ging nicht. Irgendwann konnten wir den Bus morgens wegen ungünstiger Abfahrtzeiten im Verhältnis zum Schulbeginn nicht mehr nutzen und mussten auf die Bahn ausweichen. Dies hatte aber den Vorteil, dass wir jeden Morgen Frühsport betrieben haben, denn der Weg zum Bahnhof betrug je nach Wohnung fast 2 Kilometer. Im Vergleich zu heute unmöglich. Da ist doch ein Weg von nur wenigen Hundert Metern schon fast nicht mehr zumutbar und die Kids werden mit dem Auto gekarrt. Bei größeren Entfernungen werden sie mit Schulbussen durch die Gegend geschaukelt. Die Abfahrt unseres Zuges war 7.10 Uhr, den mussten wir auch unbedingt kriegen, denn der Nächste fuhr erst zwischen 8 und 9 Uhr. Oft waren wir erst oben auf der Hube und hörten bei entsprechendem Ost-Wind die Abfahrt in Mehle (bei den damaligen Dampfloks war das noch möglich), dann war sprinten angesagt. Die Fahrt bis Coppenbrügge dauerte nur 10 Minuten, trotzdem mussten noch schnell ein paar Runden 66 oder, wer konnte, Skat gespielt werden.

Ab 1955 ging es in den Konfirmandenunterricht, der damals noch zwei Jahre dauerte, und jeden Donnerstagnachmittag für jeweils eine Stunde in der alten Schule neben dem Pfarrhaus (heute abgerissen) stattfand. Der seinerzeit in Oldendorf tätige Pastor Uhde, der für seine Strenge und äußerste Disziplin bekannt und zum Teil auch „gefürchtet“ war, blieb uns durch Erkrankung und dann Pensionierung erspart. Als Vertreter wurde Pastor Feuerstark aus Esbeck eingesetzt. Ein kleiner gutmütiger und geduldiger Mensch, der uns bis zur Konfirmation in 1957 begleitet hat. Konfirmiert wurden wir in dem Jahr in Benstorf.

1952 und 1953 war meine Mutter arbeitslos und ging „Stempeln“ wie man damals sagte. Dienstags und Freitags kamen dazu Mitarbeiter des Arbeitsamtes Hameln in die Gaststätte Schlüter (oder war es noch Sporleder) und die Arbeitslosen mussten sich in ihre Arbeitslosenkarte einen Stempel abholen. Freitags gab es Geld. An einem der Freitage im Winter 1952 war der Auebrink mal wieder zugeweht und noch nicht geräumt. Die Mitarbeiter des Arbeitsamtes kamen an diesem Tag nicht nur mit ihrem Stempelwerkzeug und Geld, sondern auch mit einem Lastwagen auf dem Schaufelwerkzeug und Schubkarren geladen waren. Alle männlichen Arbeitslosen wurden an diesem Tag zwangsverpflichtet, den Auebrink freizuschaufeln. Eine Maßnahme, die nach heutigem Denken als „nicht zumutbar“ eingestuft würde.

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In den 50er Jahren kam Dienstags und Freitags, an den Stempeltagen des Arbeitsamtes, aus Hemmendorf ein „fliegender Händler“ namens Klingenberg, der am Ehrenmal an der B1 seinen Stand mit Süßigkeiten, Zigaretten, nützlichen Sachen für den Haushalt (z. Bsp. Schnürbänder, Stopfgarn, Knöpfe usw.) und Zeitschriften aufbaute. Unter den Zeitschriften befanden sich auch kleine schmale Heftchen (ca. 10 x 20 bis 25 cm) mit Bildgeschichten als Fortsetzungen (in welcher Zeitfolge weis ich nicht mehr). Eines hieß „Sigurd“ *** und handelte m. E. von einem fiktiven Ritter, der gefährliche Abenteuer und Kämpfe bestehen musste und eins von Prinz Eisenherz, einem Ritter der Tafelrunde von König Artus. In einem weiteren Heft rettete ein irdischer Weltraumheld mit dem Namen „Fulgor“ gemeinsam mit den gutmütigen außerirdischen „Minoris“ in vielen Abenteuern die Erde vor den Angriffen der bösartigen außerirdischen „Majoris“.Gekämpft hat er mit „Betastrahlen“, die er aus einem rechteckigen Kasten an seinem Gürtel abgeben konnte. In den 1950er Jahren gab es also schon „Sincefiction“. Die Raumfahrzeuge aus den späteren Fernseh- und Filmserien „Raumkreuzer Orion“ und „Raumschiff Enterprice“ hatten viel Ähnlichkeit mit denen in dem kleinen Heft.

So ein Heft kostete nach meiner Erinnerung damals 20 Pfennige, hört sich wenig an, war für die meisten von uns Jungen aber trotzdem viel Geld. Festes Taschengeld wie heute kannte ich mit 10 Jahren nicht. Es gab mal 10 oder 20 Pfennig für ein Eis oder die beliebten „Sahnebonbons“. Mein Freund Hans-Jürgen Schlüter hatte irgendwann die glorreiche Geschäftsidee die Hefte regelmäßig zu kaufen und an uns andere für 5 Pfennig zum Lesen auszuleihen. Von den Leihgebühren wurden dann die neuen Folgen gekauft. Da seine Eltern davon aber nichts wissen durften, wurden die Bücher bei mir deponiert. Dafür durfte ich sie umsonst lesen. Wie lange das Geschäft blühte, weis ich nicht mehr.

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Die Folgen einer anderen Geschichte zwischen Hans-Jürgen Schlüter und mir waren 2010 nach fast 60 Jahren noch sichtbar.
Wir waren etwa 12 oder 13 Jahre alt, als er plötzlich ein Luftgewehr hatte (woher nur). Das durften wiederum seine Eltern nicht wissen, also wurde es wieder bei Scholling‘s deponiert. Geschossen haben wir auch damit.
Die zum ehemaligen Hof Schottel (Hof Nr. 46 heute Dorfstr. 28) gehörende Scheune, neben dem Haus Nr. 68 (heute Dorfstr. 26 Schlüter) in dem ich wohnte, war an die Tischlerei Schlüter verpachtet. An dem rückwärtigen von der Straße und den Häusern nicht einsehbarem Scheunentor wurden Zielscheiben aufgehängt und dann lustig darauf geschossen. Die Einschüsse, teilweise noch mit den Bleiprojektilen gefüllt, habe ich 2010 noch gesehen. Der derzeitige Eigentümer hatte in dem Jahr über meine Cousine Marlies Fiolka nach Bildern und Erinnerungen meinerseits zum Anwesen und dem abgerissen Haus Nr. 68 gefragt. Bei einem Besuch und gemeinsamen Rundgang im Garten fragte er mich auch nach den „seltsamen Einschlüssen“ im Scheunentor, die er sich bis dahin nicht erklären konnte. Ich konnte sie ihm erklären, denn unter Erstaunen und Schmunzeln sind mir unsere jugendlichen „Schandtaten“ wieder eingefallen. Wenn das Tor zwischenzeitlich nicht ausgetauscht worden ist, sind sie wohl immer noch zu sehen.

Zu meinen Erinnerungen gehört auch, dass in den 1950er Jahren die ersten zaghaften Versuche von Versandhandel in Oldendorf gestartet wurden.

In Klein-Oldendorf wohnte im Haus des Landwirts Böker (heute An der Wolfskuhle 4) Familie Fischer (Günther Fischer). Frau Fischer hat für die Fa. Eduard Schopf, Bremen (Eduscho Kaffee) Bestellungen für Kaffee entgegen genommen, die dann später bei ihr abgeholt werden konnten. Im Prinzip das Gleiche wie später u. a. der Quelle Bestellservice.

Getränkehandel bzw. Getränke-Heimservice gab es ebenfalls bereits:
In Klein-Oldendorf im ehemaligem Haus-Nr. 34 (heute nicht mehr vorhanden) gegenüber von Hof Oppermann (Im Brinkfeld 8) wohnten die Familien Bartels und Schwyrzina. Schwirzyna’s verkauften im Auftrag und auf Kommission Getränke für die Fa. Bier-Nagel in Elze. Diese Vertriebsart wurde von der Firma in den 50er Jahren in vielen Orten aufgebaut.

 

Bild unten: Vorne der abgerissene Hof Nr. 34 – Heute neues Haus im Brinkfeld 9

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Die Älteren werden sich noch erinnern und die Jüngeren werden es nicht glauben können:

Kino in Oldendorf - auch das gab es einmal -

Ich erinnere mich noch sehr gut und auch gerne daran.
In den 1950er Jahren hat ein Herr Buchwald aus Salzhemmendorf den Betrieb eines „Wanderkinos“ eröffnet. Er fuhr mit einem „Borgward“ Lieferwagen die notwendigen Utensilien wie Vorführmaschinen, aufrollbare Leinwand, Plakatrahmen und alles was sonst dazu gehörte von Ort zu Ort. Spielorte waren nach meiner Erinnerung Salzhemmendorf, Lauenstein, Hemmendorf, Oldendorf und Osterwald.
In Oldendorf fanden die Vorstellungen zunächst im Saal des Gasthauses Kölling in der Bahnhofstraße statt. Später wurde der Spielort in die Gaststätte Schützenhaus (August Schlüter) an der B 1 verlegt. Vorstellungen waren mittwochs und samstags jeweils um 18.00 Uhr und 20.00 Uhr. Ich habe in den Jahren 1956 und 1957 gemeinsam mit meinem Klassenkameraden aus der Grundschulzeit Peter Sybill die zwei Mitarbeiter der Firma bei den Auf- und Abbauarbeiten unterstützt. Dafür durften wir die Filme ohne Eintrittsgeld sehen, manchmal auch welche, die als „Nicht jugendfrei“ eingestuft waren. Dazu mussten wir uns bis zum Beginn der jeweiligen Vorstellung im Vorführraum aufhalten.

Die Mitarbeit ging so weit, dass wir in der kalten Jahreszeit auch die zwei großen Öfen im Saal mit Brennmaterial versorgt haben.

Über Vorkommnisse im dunklen Kinosaal könnte ich auch einiges berichten aber wie heißt es doch: Decken wir den Mantel des Schweigens darüber.

Kassel im April 2021
Heinz-Hermann Scholling

***Anmerkung: Sigurd ist die erste Comicfigur, die Hansrudi Wäscher in den Fünfzigerjahren entwickelte: Der Ritter verbindet alle positiven Eigenschaften des klassischen Helden: Dank seines Mutes, seiner Stärke und Ausdauer besiegt er in tollkühnen Kämpfen das Böse in allen Erscheinungsformen, meist mithilfe seiner Freunde Bodo und Cassim, zu denen er unerschütterliches Vertrauen hat. Seine hohe Moral symbolisiert eine blonde Haarlocke, die, ungeachtet aller Perspektivwechsel, stets in Blickrichtung fällt.

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